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Das Jahresmagazin von Innosuisse 2021

Mikroverunreinigungungen in Luft auflösen

Mikroverunreinigungen gelangen durch Verbraucherprodukte wie Kosmetika, Kochgeschirr und Textilien, aber auch durch Chemikalien, Pestizide oder Pharmazeutika in Bäche, Flüsse und Seen. Sind sie einmal im Wasserkreislauf, können sie biologisch – das heisst mit Abwasserreinigungsanlagen – nicht abgebaut werden und reichern sich immer mehr an. «Das Problem der Mikroverunreinigung existiert überall», sagt Dr. Silvan Staufert, Mitbegründer und CTO des Zürcher Start-ups Oxyle AG. «Sie sind eine sehr hinterhältige Form von Verschmutzung. Auch ist es sehr schwierig, sie nachzuweisen.»

Es sind nicht die Mikroverunreinigungen selbst, die sichtbar sind, aber zunehmend die Folgen davon. «In Gewässern unterhalb von Klärwerken hat man zum Beispiel festgestellt, dass 80 Prozent der männlichen Fische feminisiert sind. Dies ist eine Folge von weiblichen Hormonen im Wasser, sie stammen aus Medikamenten und der Landwirtschaft.

«Die Zusammenarbeit mit Innosuisse ist sehr unkompliziert und praktisch. Sie schauen genau hin, schaffen aber keinen grossen Aufwand für uns als Unternehmende. Mit europäischen Grants ist es komplizierter.»

Silvan Staufert

Mitgründer und CTO von Oxyle AG

Schadstoffe vollständig zerstören

Oxyle wurde 2020 als Spin-Off der ETH Zürich gegründet und hat zum Ziel, die Verunreinigungen dort zu bekämpfen, wo sie anfallen: Bei der produzierenden Industrie – zum Beispiel Pharmafirmen oder Herstellern von industriellen Chemikalien – und in Gemeinden. «Wir möchten den Reinigungsprozess so nahe wie möglich an die Produktionsstelle bringen und den gesamten Wasserkreislauf vor Ort behandeln.»

Der gelernte Maschineningenieur und seine Geschäftspartnerin Dr. Fajer Mushtaq, CEO von Oxyle, haben spezielle Katalysatoren entwickelt, die hartnäckige und giftige Schadstoffe effizient aus dem Abwasser entfernen können. «Unsere Katalysatoren können über 95 Prozent der organischen Schadstoffe im Wasser abbauen.»

Eine kostengünstige und nachhaltige Lösung

Im Gegensatz zu anderen Methoden filtern die Katalysatoren von Oxyle die Mikroverunreinigungen nicht aus dem Wasserkreislauf, sondern zerstören sie ganz. «Unsere Katalysatoren funktionieren wie beim Auto, wo der Katalysator die Hitze des Abgases dazu verwendet, die Schadstoffe im Abgas zu zerstören. Der Katalysator von Oxyle nimmt mechanische Anregungen wie Vibrationen oder Blasen auf. Diese zugeführte Energie setzt einen chemischen Prozess in Gang, der Mikroverunreinigungen zerstört. Durch den chemischen Prozess bleibt am Schluss nur noch sauberes Wasser übrig und verschwindend wenig Kohlenstoffdioxid, das sich beim Reinigungsprozess bildet.»

Die Idee, dass sich Verunreinigungen so quasi in Luft auflösen lassen, sei nicht neu, betont Silvan Staufert. «Wir haben nun aber ein extrem poröses Material entwickelt, welches sich sehr effizient aktivieren lässt. Dadurch haben unsere Katalysatoren eine grosse Oberfläche und können alle Arten von Mikroverunreinigungen aufs Mal zerstören. Typisches Industrieabwasser ist in 20 Minuten gereinigt.» Die Methode sei effizient und einfach anzuwenden. Der Katalysator habe eine extrem lange Lebensdauer, sagt der Oxyle-CTO. Deshalb sei ihre Innovation sehr kostengünstig und nachhaltig.

Akram Rahimi, Leiterin der Materialentwicklung, zeigt, wie das mit einem Nano-Katalysator ausgestattete Testmodul funktioniert.

Zusammenarbeit mit norwegischem Unternehmen

Nun geht es darum, das erprobte Katalysatorsystem auch für grössere Anwendungen weiterzuentwickeln – mit einem Flow-Through-System: Statt wie bisher das Abwasser in einem geschlossenen Tank zu behandeln, soll es nun in einem Kreislauf fliessen. Dafür arbeitet Oxyle mit dem norwegischen Unternehmen Biowater Technology AS und dem norwegischen Forschungsinstitut SINTEF zusammen – in einem Eurostars-Projekt.

Biowater Technology AS hat ein System für die biologische Abwasserreinigung im Kleinformat entwickelt – eine wichtige Ergänzung für das Schweizer Start-up: «Biowater ist ein interessanter Partner für uns. Wir können von einer fortgeschrittenen Firma viel lernen, wie man mit Industrie am besten zusammenarbeitet. Zudem gibt es zwischen unseren Technologien gute Synergien. In vielen Industrien gibt es beide Arten von Verunreinigungen – biologische und Mikroverunreinigungen. Wir möchten auch nach Abschluss des Projekts weiter zusammenarbeiten und Industrie und Gemeinden zusammen Lösungen anbieten.»

Hoffnung auf den Markteintritt

Das norwegische Forschungsinstitut SINTEF hilft den beiden Partnern, die Prozesse zu modellieren und durch Simulationen die Prozesse zu optimieren. «Es wäre für uns als kleines Unternehmen zu aufwendig, dies durch Experimente zu erreichen.»

Im Rahmen des Eurostars-Projekts wird auch mit der Form des Katalysators experimentiert: Zum Beispiel mit Pellets, die im Wasser schwimmen. Durch das Pumpen von Wasser durch das System werden die Pellets im Wasser verwirbelt. Dadurch werden sie zusammengedrückt oder stossen gegeneinander. Somit wird Energie erzeugt, um die Verunreinigungen zu zerstören. «Versuche haben gezeigt, dass es eine energieeffiziente Art ist, um Schadstoffe zu zersetzen.» Auch Mikroblasen, die sich durch starke Strömung im Wasser bilden, treiben die Zersetzung voran. Wenn die Blase zerfällt, löst das eine Druckwelle aus. Dadurch wird das Material in Form der Pellets aktiviert.

Konkretes Ziel des Projekts ist es, einen Pilotreaktor herzustellen, in dem Katalysatoren Mikro- und sonstige Verunreinigungen zerstören. Dann soll es einen dreimonatigen Versuch mit biologischem Treatment bei einem Kunden geben. «Wir erhoffen uns dadurch den wichtigen Durchbruch, der uns den Markteintritt ermöglicht.»

Egal, welchen Markt Oxyle zuerst ansteuert: Das Potenzial für ihre Innovation ist weltweit riesig. Denn Mikroverunreinigungen kennen keine Grenzen.

Oxyle-CEO Fajer Mushtaq justiert den Durchflussreaktor-Prototypen.

Schritt für Schritt zur internationalen Zusammenarbeit – das trägt Innosuisse dazu bei

EEN-Netzwerk: Hilfe bei der Suche nach den richtigen Partnern im Ausland

Um international die richtigen Partner zu finden und zu wachsen, dabei hilft kleinen und mittleren Unternehmen das Enterprise Europe Network (EEN). In der Schweiz ist Innosuisse im Bereich Forschung, Innovation und Technologie für die Unterstützung zuständig und vernetzt Unternehmen mit den richtigen Partnern – wie beim Eurostars-Projekt «Hydrocat». Die Zusammenarbeit mit Innosuisse sei sehr unkompliziert und praktisch, schwärmt Silvan Staufert. «Die Verantwortlichen schauen zwar genau hin, schaffen aber keinen grossen Aufwand für uns als Unternehmende. Mit europäischen Grants ist es komplizierter.»

Eurostars: Unterstützung für ein internationales Projekt

Für die 36-monatige Zusammenarbeit mit den norwegischen Partnern wird Oxyle im Rahmen eines Eurostars-Projekt unterstützt. Das Budget fürs ganze Projekt beträgt fast 2 Millionen Euro. Innosuisse unterstützt das Schweizer Start-up bei der Finanzierung, dem Aufsetzen von Verträgen und beim Reporting.

BRIDGE: Unterstützung beim Schritt von der Forschung in die Wirtschaftspraxis

Während zwei Jahren wird die Oxyle-CEO Fajer Mushtaq durch das BRIDGE-Programm des Schweizerischen Nationalfonds und der Innosuisse unterstützt. Das BRIDGE Proof of Concept hilft der Forschenden dabei, die wissenschaftlichen Resultate, die sie im Rahmen ihres Doktorats an der ETH Zürich erzielt hat, in eine praktische Anwendung umzusetzen: Es lässt sich beweisen, dass das innovative Material zur Abwasserreinigung vor Ort im Klärwerk zuverlässig arbeitet und dass es kostengünstig und in grossen Mengen produziert werden kann.

Core Coaching: Das Start-up für den Markt fit machen

Beim Wachsen des noch jungen Start-ups und allgemeinen Fragen zur Firmenentwicklung hilft das Innosuisse Core Coaching. «Dieses Coaching ist wertvoll für uns. Unser Coach Christoph Heidelberger unterstützt uns zum Beispiel in unserer Finanzplanung, bei Fragen von Organisationsstrukturen, wie wir Meilensteine vorantreiben oder wie man Investorinnen und Investoren angeht. Es ist ein komplettes Package.» Die Unterstützung sei auch sehr wertvoll bei der internationalen Zusammenarbeit, betont Staufert. «Unser Coach hat uns schon Tipps für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen gegeben und dafür, welchen Markt wir zuerst angehen sollen.»

Mentoring: Hilfe bei Antrag auf ein Nachfolge-Projekt

Das Start-up hat bereits weitere grosse Ideen und Ziele und hat einen neuen Projektantrag eingereicht. Dafür nahm es die Hilfe eines Innovationsmentors in Anspruch. Er hat Oxyle dabei geholfen, den Antrag fürs Innosuisse-Projekt erfolgreich durchzubringen.

Unterstützung durch Innosuisse

  • Internationales Projekt: Eurostars
  • EEN Partnersuche
  • BRIDGE – Proof of Concept
  • Start-up Coaching: Core Coaching
  • Mentoring