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Das Jahresmagazin von Innosuisse 2021

Nachhaltige Energie aus der Tiefgarage

Die blau-weissen Metalltafeln, die an einer Betonwand in der Tiefgarage im Lausanner Sébeillon-Quartier hängen, sehen aus wie eine Plakatwand, die für ein Museum oder eine Modeausstellung wirbt. Der Schein täuscht: Jedes dieser zehn Paneele hat ein komplexes Innenleben, mit dem ein ganzes Wohnhaus beheizt oder gekühlt werden kann.

Die Paneele, hier beim Pilotversuch in der Lausanner Tiefgarage, nehmen Erd- und Umgebungswärme auf.

Das Prinzip ist nichts Neues: Die Oberflächennahe Geothermie, auch Erdwärme genannt, macht sich zunutze, dass die Temperatur bereits ab wenigen Metern unter der Erdoberfläche ganzjährig konstant bleibt – im Gegensatz zur Umgebungsluft, die im Winter kälter als das Erdinnere ist, im Sommer wärmer. In der Kombination mit einer Wärmepumpe kann dieser Temperaturunterschied zum Heizen respektive Kühlen von Gebäuden oder technischen Anlagen verwendet werden.

Beim Pilotversuch in der Lausanner Tiefgarage nimmt jede dieser zehn Metalltafeln Erdwärme und Umgebungswärme auf. Die vorfabrizierten Paneele beinhalten Wärmetauscherrohre. In diesen Rohren zirkuliert eine Flüssigkeit, die durch die Wärme ihre Temperatur ändert und dann nach oben gepumpt wird. Eine Wärmepumpe verteilt diese Energie im gesamten Gebäude darüber. Diese Energieversorgung funktioniere das ganze Jahr über, sagt Margaux Peltier, Mitgründerin des Start-ups Enerdrape. «Die Paneele nutzen die relativ konstante Temperatur im Untergrund und können auf eine konstante Energiemenge zugreifen – unabhängig von der Aussentemperatur oder der Jahreszeit.»

Während geothermische Anlagen bisher vorwiegend in Neubauten oder bei Gebäudesanierungen eingebaut werden, können die vorfabrizierten Paneele von Enerdrape an Betonwänden von bestehenden unterirdischen Räumen – zum Beispiel einer Tiefgarage oder eines Kellers – angebracht werden. Idealerweise grenzen diese Wände direkt an die Erde.

«Innovation hat in der Schweiz einen höheren Stellenwert als in anderen Ländern. Wir sind dankbar, dass wir hier forschen und unsere Ideen entwickeln können.»

Margaux Peltier

Mitgründerin EPFL-Spin-off Enerdrape

Zugang zum Labor wegen Corona nicht möglich

Kurz nach ihrem Masterabschluss an der EPFL hat Margaux Peltier Mitte 2021 das Unternehmen Enerdrape mitgegründet. Zwei Jahre lang hatte sie zuvor mit verschiedenen Versuchen die Umsetzbarkeit und das Marktpotenzial der Technologie überprüft. Dabei experimentierte sie mit verschiedenen Flüssigkeiten für den Wärmeaustausch und unterschiedlichen Rohrdurchmessern.

Margaux Peltier erhielt dabei Unterstützung durch das Förderprogramm BRIDGE, das von Innosuisse und dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) angeboten wird. «Diese Unterstützung hat mir geholfen, die Lücke zwischen der Grundlagenforschung und wissenschaftsbasierter Innovation zu schliessen. Ich erhielt einen Jahreslohn und konnte so 100 Prozent am Projekt arbeiten – ohne Risiko und Geldsorgen. Zudem konnten die Hauptkosten der Pilotanlage damit gedeckt werden.»

Wegen der Covid-Pandemie wurde das BRIDGE-Projekt um ein halbes Jahr bis Ende Mai 2022 verlängert – ursprünglich war ein Jahr geplant. «Ein Teil des Materials für die Installation traf wegen Lieferschwierigkeiten verspätet ein. Zudem war der Zugang zum Labor zeitweise nicht möglich.»

Kosteneffizientes und nachhaltiges System

Ziel des BRIDGE-Projekts ist die grossflächige Anwendung von verschiedenen Paneelen. Vorherige Tests waren nur mit einer Tafel durchgeführt worden. «Die Idee hat im Kleinen funktioniert», sagt die Forscherin. «Die Frage war: Lässt sich das auch auf einen grösseren Massstab übertragen?» Die Antwort sei schnell klar geworden, so Margaux Peltier. «Der Versuch in der Tiefgarage hat uns die einfache Installation in einer solchen Umgebung bestätigt und gezeigt, dass das System kosteneffizient arbeitet. Zudem erhielten wir Hinweise darauf, wie wir das System noch effizienter machen können.»

In dieser Branche ist die Hochskalierung sehr wichtig. Schon jetzt haben zwei Schweizer Firmen ihr Interesse für weitere Versuche angemeldet. «Dank der Installation in der Lausanner Garage konnten wir Kundinnen und Kunden gewinnen für zwei grössere Pilotprojekte», freut sich die Jungunternehmerin.

Die Enerdrape-Prototypen im Untergeschoss der EPFL nach Entwicklungsstufe aufgereiht – links ist der neuste.

Anfragen aus verschiedenen Ländern

Innosuisse bietet auch bei der Weiterentwicklung des Start-ups Unterstützung. Nach einem Initial Coaching ist Enderdrape nun im Core Coaching. Das sei sehr wertvoll, sagt Margaux Peltier. «Unser Coach Caroline Coquerel-Kokocinski hilft uns bei wichtigen Geschäftsfragen wie Strategie, Ausrichtung im Markt oder Finanzierung und unterstützt uns dabei, die Grundlagen für das Unternehmen zu erarbeiten. Als Ingenieurin weiss ich viel über Technik, aber ich hatte vor der Firmengründung wenig Ahnung von Geschäftsfragen.»

Noch ist das Start-up im Aufbau, aber das EPFL-Spin-off hat grosse Pläne für die Zukunft: «Wir sehen grosses Potenzial, unsere Energiepaneele international auf den Markt zu bringen. Bereits jetzt haben wir Anfragen verschiedener Unternehmen aus Frankreich, Grossbritannien, Kanada, den Niederlanden, den USA oder Deutschland, die nachhaltige Alternativen suchen.»

Die Technik sei für die Expansion ins Ausland genug ausgereift, sagt Margaux Peltier. Doch für eine erfolgreiche Vermarktung brauche das Start-up noch Zeit. «Wir müssen zuerst wachsen – und die richtigen Partner finden. Gerade in der Energiebranche ist es wichtig, die verschiedenen Spezifikationen und Anforderungen der einzelnen Weltmärkte zu kennen. Wir werden, falls alles klappt, unsere Paneele künftig seriell im europäischen Ausland produzieren müssen, um konkurrenzfähig zu sein. Für uns ist aber sehr wichtig, dass wir aus der Schweiz heraus Forschung betreiben können. Denn Innovation hat hierzulande einen höheren Stellenwert als anderswo. Wir sind dankbar, dass wir hier forschen und unsere Ideen entwickeln können.»

Unterstützung durch Innosuisse

  • Start-up Coaching: Initial Coaching und Core Coaching
  • Start-up Training: Innosuisse Business Concept (Modul 2)
  • BRIDGE - Proof of Concept