Unternehmen und Wissenschaftler arbeiten Hand in Hand, um Covid-19 zu bekämpfen. Seit einem Jahr lebt die Schweiz im Rhythmus der Regierungsverlautbarungen, deren Inhalt von den jeweiligen Inzidenzwerten abhängt. Es sind aussergewöhnliche Zeiten für das Land, seine Unternehmen und seine Bürger. Gleichzeitig zwingt uns diese Krise dazu, uns in Frage zu stellen, Grenzen aufzubrechen und neue Wege zu gehen. Sie inspiriert neue Geschäftsmodelle. Seit Beginn der Pandemie entstanden viele innovative Ideen im Kampf gegen Covid-19, die von Innosuisse unterstützt werden. Mit ihren Innovationsprojekten und insbesondere dem im Januar 2021 gestarteten Impulsprogramm «Swiss Innovation Force» bietet die Agentur des Bundes Partnern aus Wirtschaft und Forschung die Möglichkeit, gemeinsam innovative Lösungen im Hinblick auf den sich abzeichnenden Wandel zu entwickeln. Überblick über die aktuellen Projekte:

Emulation in der medizinischen Forschung
Mehrere Organisationen und Forschungsinstitute haben die Chance bereits ergriffen und zahlreiche Projekte gestartet. Auf medizinischer Ebene entwickelt das Waadtländer Biotech-Unternehmen Mymetics derzeit in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Bern einen auf seine Art einzigartigen Impfstoff. Das Team arbeitet an einem prophylaktischen nasalen Vakzin. Die meisten Covid-19-Impfstoffe, die sich aktuell in der Entwicklung befinden oder in Impfkampagnen eingesetzt werden, sind intramuskulär zu spritzen, um eine Immunabwehr im Blut hervorzurufen. Nach Angaben der Forscher gibt es jedoch wenig oder gar keinen Schutz im Nasenbereich, obwohl das Virus meistens hier in den Körper eintritt und sich vermehrt. Dieser Impfstoff löst einen Immunschutz nicht nur im Blut, sondern auch in den Schleimhäuten von Nase und Lunge aus und soll so die Übertragung des Virus und die Infektion in einem sehr frühen Stadium verhindern, bevor es sich auf andere Organe ausbreitet. Gleichzeitig arbeiten andere Teams daran, die Wirksamkeit der Vakzine und die Langzeitimmunität zu verbessern. So entwickelt MPC Therapeutics derzeit mit der Universität Lausanne zusammen einen «Memory T-Cell Booster»: ein Produkt, das in der Lage ist, die Menge der sogenannten Gedächtniszellen zu erhöhen, die nach einer Infektion oder Impfung im Körper überleben, und so die Menschen dauerhaft vor einer Neuinfektion zu schützen. «Diese Technologie könnte die Effektivität der Impfung verbessern, insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit schwachem Immunsystem, wie z. B. bei älteren oder immungeschwächten Personen. Ausserdem könnte es die pro Person benötigte Impfstoffdosis reduzieren und so die weltweite Impfung beschleunigen», so Raphaël Martinou, Mitbegründer von MPC Therapeutics.
Ein anderer Hintergrund, eine andere Innovation: Die ETH Zürich entwickelt zusammen mit dem Universitätsspital und der Zürcher Hochschule der Künste ein medizinisches Beatmungsgerät namens «Breathe». Dieses günstig herzustellende High-Tech-Beatmungsgerät, das sich durch sein Design und seine einfache Bedienung auszeichnet, ist für Feldeinsätze und Patiententransporte in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gedacht. Aus der Sicht der Forschenden hat die Covid-19-Pandemie die Schwierigkeiten deutlich gemacht, mit denen die Gesundheitssysteme weltweit zu kämpfen haben. «Die Lage zeigt uns, wie wichtig es ist, den Zugang zu Gesundheitsdiensten und lebenswichtigen medizinischen Geräten zu verbessern», erklärt Marianne Schmid Daners, Maschinenbauingenieurin an der ETH Zürich. «In Zukunft können weitere Krisen auftreten. Solche Atemwegserkrankungen verbreiten sich rasant und der damit verbundene Wettlauf gegen die Zeit führt zu Engpässen bei der Versorgung mit Geräten. Wir entwickeln ein kostengünstiges, kompaktes und modulares Beatmungsgerät.»
Wirksamer Schutz
Auch zum Thema Schutz mangelt es nicht an Ideen. Das Projekt «Disigel» will die Grenzen der bisherigen antiseptischen Gele hinausschieben. Gemeinsam mit der Empa will die Firma Lumendo ein widerstandsfähigeres Desinfektionsmittel für die Hände entwickeln. «Das am häufigsten verwendete Handdesinfektionsmittel ist Ethanol. Es kann kostengünstig hergestellt werden und ist sehr wirksam, da es Mikroorganismen in Sekunden abtötet. Der Nachteil ist jedoch, dass Ethanol sehr flüchtig ist und in ein bis zwei Minuten verdunstet. Die Hände sind erneut ungeschützt und anfällig für Rekontaminationen. Ein ausreichender Schutz über den ganzen Tag hinweg würde daher die permanente Anwendung eines Desinfektionsmittels erfordern, was nicht praktikabel ist und sogar schädlich für die Haut wäre, da sie austrocknet. Unser Material bietet eine Alternative, weil es Mikroorganismen effektiv abtötet und einen viel längeren Schutz bietet», erklärt Andreas Schmocker, Geschäftsführer von Lumendo. In einem weiteren Projekt mit dem Titel «Remask» arbeiten Forschende der Empa, der EPFL, der ETH Zürich und des Labors Spiez daran, die Leistung von Masken mit neuen Filtersystemen und dauerhafteren antiviralen und antibakteriellen Materialien zu revolutionieren. «Unser Ziel ist es, wiederverwendbare chirurgische und FFP-Masken zu entwickeln, um langfristig eine nachhaltige und rentable Maskenproduktion in der Schweiz zu etablieren», sagt Véronique Michaud, ausserordentliche Professorin an der EPFL.
Viren in der Luft aufzuspüren, um ihre Ausbreitung zu verhindern, ist eine grosse Herausforderung, die Stat Peel mit Hilfe des CSEM und des Instituts für Virologie und Immunologie, einem mit der Universität Bern kooperierenden eidgenössischen Institut, in Angriff genommen hat. Gemeinsam entwickeln sie «AirViMo», mit dem die Anzahl der Partikel in der Luft quantifiziert werden kann, um deren Schädlichkeit für Mensch, Tier oder Umwelt zu bestimmen. «AirViMo kann in Räumen platziert werden, in denen ein Übertragungsrisiko für Covid-19 besteht, wie z. B. in Wartezimmern, Aufenthaltsräumen in Spitälern, Pflegeinstitutionen, Heimen, Büros, öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulen», erklärt Rudolf Bieri, CEO von Stat Peel.
Künstliche Intelligenz zur Unterstützung der Forschung
Das Projekt «RisKlick» soll die Erfolgschancen klinischer Studien durch den Zugang zu einer umfassenden Datenbank erhöhen. «Um die Pandemie zu bewältigen, müssen die Forschenden Zugang zu ausführlichen Informationen haben und in Echtzeit auf dem Laufenden bleiben. Das Ziel von RisKlick ist es, genau diese relevanten Informationen mit Methoden der künstlichen Intelligenz zu sammeln und zur Verfügung zu stellen, um die Risiken einer klinischen Studie im Vorfeld zu erkennen und zu bewerten», erklärt Amini Poorya, CEO von RisKlick.
Im Rahmen des Projekts «RisKlick» werden mit Methoden der künstlichen Intelligenz Informationen für klinische Studien gesammelt und Algorithmen entwickelt, um Risiken möglichst früh zu erkennen und zu bewerten. «Dieser innovative Ansatz kann die Erfolgschancen von klinischen Studien erhöhen», sagt Amini Poorya, CEO von RisKlick. Das Ziel ist die Integration und Konsolidierung von Informationen aus verschiedenen Quellen, etwa wissenschaftliche Literatur, Register für klinische Studien sowie Aufsichts- und Zulassungsbehörden.
Dieser Überblick zeigt, dass wissenschaftsbasierte Innovation überall möglich ist und diese Krise letztlich viele Chancen bietet. Innosuisse fordert deshalb alle Innovatoren auf, ihre Innovationsprojekte einzureichen.
Nicht abschliessender Überblick über die von Innosuisse unterstützten Innovationsprojekte im Kampf gegen Covid-19:
- Die Firma Mymetics, die den Impfstoff entwickelt, arbeitet mit der Klinik für Pneumologie des Universitätsspitals Bern zusammen, die über eine grosse Expertise auf dem Gebiet der Atemwege verfügt. Sie will die Immunantworten charakterisieren, die im Blut und in den Atemwegen (Nasen- und Lungengewebe) infolge einer nasalen Impfung mit dieser neuen Formulierung ausgelöst werden. Dieses Vakzin kann auch unter stabilen Bedingungen im Kühlschrank bei +2 bis -8°C oder sogar bei kontrollierter Raumtemperatur (+15 bis +25°C) gelagert werden, im Gegensatz zu vielen Covid-19-Impfstoffen, die im Gefrierschrank bei einer Temperatur unter -15°C oder -80°C aufzubewahren sind.
- So arbeitet MPC Therapeutics gegenwärtig mit der Universität Lausanne an der Entwicklung eines «Memory T-Cell Booster»: Ein Produkt, das in der Lage ist, die Menge der sogenannten Gedächtniszellen zu erhöhen, die nach einer Infektion oder Impfung im Körper überleben, und so die Menschen dauerhaft vor einer Neuinfektion zu schützen. Ziel ist es, die Wirksamkeit der Impfung zu verbessern, insbesondere bei Personen mit geschwächtem Immunsystem, wie z. B. bei älteren oder immungeschwächten Menschen. Darüber hinaus könnte dieser «Memory T-Cell Booster» die benötigte Impfstoffdosis pro Person reduzieren und so die weltweite Impfung beschleunigen und deren Kosten senken.
- Die Firma Lumendo produziert in Zusammenarbeit mit der Empa «Disigel», ein neues Gel zur Desinfektion der Hände. Häufiges Händewaschen und die Verwendung von Desinfektionsmitteln reduzieren die Übertragung von Infektionen, bleiben aber weitgehend von der Selbstdisziplin abhängig. Mit «Disigel» bleiben die Hände länger geschützt.
- Zusammen mit dem Universitätsspital und der Zürcher Hochschule der Künste entwickelt die ETH Zürich ein kostengünstiges medizinisches Beatmungsgerät namens «Breathe» für den Einsatz in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Es beruht auf einem Wiederbelebungsbeutel, der zur Standardausrüstung in Krankenhäusern auf der ganzen Welt gehört. Unter Verwendung mechanischer und elektronischer Komponenten wie Druck- und Flowsensoren automatisiert das Beatmungsgerät die Kompression des Wiederbelebungsbeutels und ermöglicht so eine kontrollierte Atemunterstützung des Patienten.
- Die Firma Stat Peel entwickelt mit Unterstützung des CSEM und des Instituts für Virologie und Immunologie der Universität Bern den Luftkeimsammler «AirViMo». Luftkeimsammler werden verwendet, um die Keime in der Luft zu quantifizieren, sie für weitere Analysen zu sammeln und ihre Schädlichkeit für Menschen, Tiere oder die Umwelt zu bestimmen. AirViMo ist ein Luftkeimsammler zur Erfassung von Viren und anderen potentiellen Krankheitserregern.
- «ReMask»-Innovationsprojekt der Empa mit der EPFL Lausanne, der ETH Zürich und dem Labor Spiez – gemeinsam mit der Textilbranche wurde an Technologien und Qualitätsstandards für sogenannte Community Masken gearbeitet. Mittel- und langfristige Ziele des Projekts sind die Entwicklung und Produktion von neuartigen Masken und Maskenteilen für die jetzige Krisensituation und kommende Pandemien.
- Die Firma Osmotex hat in Zusammenarbeit mit der ZHAW eine sich selbst desinfizierende Maske mit einer antiviralen und antibakteriellen Wirkung von 99% entwickelt. Diese neuartige Maske ist in der Lage, sich selbst zu desinfizieren, dank einer eingebauten Batterie, die über einen USB-Anschluss aufgeladen werden kann. Die Vermarktung soll im Frühjahr beginnen.
Die Firma Risklick arbeitet mit der HES-SO in Genf an der Erstellung einer Datenbank, die jene Informationen enthält, die Forschende benötigen, um die Erfolgschancen klinischer Studien zu verbessern. In einer Pandemie brauchen Forscher und Entscheidungsträger Zugang zu umfassenden Daten und müssen stets auf dem neuesten Stand sein. Die Beschleunigung neuer Coronaviren und die Knappheit der Daten machen es für Forschende und politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger jedoch schwierig, mit dem Informationsfluss Schritt zu halten.
In Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern entwickelt SkyCell eine effizientere und haltbarere Isolierung für Luftfrachtcontainer, um Medikamente weltweit korrekt zu transportieren. Damit bestimmte Medikamente und Impfstoffe ihre Wirkung nicht verlieren, müssen sie bei konstanter Temperatur gelagert und befördert werden. Diese Herausforderung will SkyCell mit diesem Innovationsprojekt meistern.
Letzte Änderung 05.03.2021